„Gute Arbeit, Ochs. Weiter so. Wir sind noch lange nicht fertig.“
Dr. med. cand. R Veldman
- 8 Posts
- 67 Comments
Dann würde er zumindest eine Warnweste tragen.
Das ist nicht wahr, Mister. Er ist kein Fachmann, deswegen mute ich es ihm nicht zu.
Robin kniet unmittelbar neben dem Jungen, die Hand mit der geöffneten Kompresse wartet wenige Zentimeter über seiner Wunde. Kaum gibt die Feuerwehr den Druck frei, presst sie zu und beginnt sofort mit der Blutstillung. Gute Arbeit, Männer.
Das hat doch überhaupt gar nichts mit Diskriminierung zu tun.
Sie schon, aber der andere Mann nicht!
Hey. Sie sind nicht allein. Ich bin hier. Sie werden nicht sterben.
Kruse dreht sich nur halb zu ihm um, während er gerade einen Schockindex berechnet und bellt zurück: „Dann stabilisieren, nicht ans Metall fassen! Feuerwehr holt den raus. Halten Sie Atemwege frei, notfalls Jaw-Thrust! Keine abenteuerlichen Rettungsaktionen, Soldat.
STOP! NICHT!
Sie packt den Mann am Handgelenk und zwingt ihn, loszulassen.
Wenn Sie daran ziehen, zerreißen Sie ihm den Arm. Lassen Sie den Koffer genau da liegen, bis die Feuerwehr ihn unterbaut.
Der Arm des Jungen steckt unter einer verbogenen Sitzschiene, Blut sickert, nicht spritzend, aber stetig. Sein Bein ist verdreht, aber nicht offen.
Nicht bewegen!! sagt sie, während sie die blutende Stelle mit Kompressen abdichtet. Ich drücke jetzt, das wird, weh tun…
Sie haben eine Schramme. Herzlichen Glückwunsch. Dann gehen Sie jetzt bitte vom Einsatzort, bevor Sie wirklich verletzt werden und wir uns um Sie kümmern müssen.
Ihr Blick wandert zu den Mini-Kameras, die er aufstellt.
Und diese Dinger kommen weg. Sofort. Sonst rufe ich die Polizei und Sie werden vom Gelände getragen. Ich habe keine Zeit für Gaffer.
Robin streift an den Einsatzkräften vorbei, den Blick auf den nächsten Verletzten gerichtet, als sie am Rand zwei Personen erkennt, die nicht hier sein sollten. Sie wirken kreidebleich, Augen weit, suchend. Robin bleibt vor den WG-Mitbewohnern stehen.
Euren Freunden geht es gut. Niko ist auf dem Weg ins Krankenhaus. Schulterluxation und Beinfraktur, aber kein vitales Risiko. Stacy hat nur oberflächliche Verletzungen. Sie müsste noch irgendwo hier sein… Mehr darf ich nicht sagen.
Und dann wendet sie sich wieder ab, routiniert, kalt, funktional- weil sie in diesem Moment Ärztin sein muss, nicht jemandes Bekannte.
Kruse dreht sich zu Kalle, einer der wenigen Momente, in denen er kurz den Blick hebt.
„Sanitäter. Gut.“
Er deutet mit dem Kopf auf den Zug.
„Sie übernehmen Grün- und Gelbpatienten. Grundversorgung, Vitalcheck, Stabilisierung. Wenn’s rot wird, melden Sie es sofort.“
Sie können hier nicht stehen. Hier liegen Menschen mit potenziell lebensbedrohlichen Verletzungen. Wenn Sie im Weg stehen, gefährden Sie sie.
Als Niko auf der Trage plötzlich wegkippt, reagieren die beiden Notfallsanitäter sofort, ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren. Einer geht an den Kopf: „Bewusstsein weg, Atem prüfen!“ Der andere prüft den Puls: „Tastbar, tachykard. Sauerstoff bleibt.“ Sie stabilisieren Kopf und Hals. „Keine Aspiration, Atemwege frei. Wir fahren. Keine Verzögerung.“ Der Monitor klickt an, sie geben sich ein kurzes Nicken, ziehen die Trage in den RTW und die Türen schlagen zu.
Robin beachtet den Feuerwehrmann nicht, sie ist damit beschäftigt den Arm eines kleines Mädchens zu schienen.
Robin starrt lange auf die Nachricht, bevor sie antwortet. Sie ist sich nicht sicher, wohin sowas in ihr Leben passen soll, zwischen Intensivstation und 24-Stunden-Diensten.* Ich habe morgen 24h-Dienst. Ich melde mich.
Mhm. Sehr reif.
Robin geht.
Robin lässt sofort seinen Arm los und richtet sich wieder auf.
Weißt du was, Jerome? Wenn du so unbedingt den schnellen Weg zurück in die Notaufnahme suchst, dann mach genau so weiter.
Sie zeigt mit dem Kinn auf die Stufen, die er hinunter gestürzt ist.
Das hier wird nicht gut ausgehen, wenn du dich so überschätzt. Neurologisch instabile Patienten - und ja, das bist du - verlieren nach Stürzen gern Funktionen, die wir mühsam zurückerarbeitet haben. Aber das ist jetzt nicht mehr meine Verantwortung.


Kruse arbeitet, wie er immer arbeitet: strukturiert, sachlich, mit der stillen Härte eines Mannes, der weiß, dass Fehler töten. Er rechnet, priorisiert, verschiebt Ressourcen. Er bemerkt, wer funktioniert und wer im Chaos untergeht. Und inmitten all dessen registriert er, ohne einen Funken Sentimentalität, so etwas wie Dankbarkeit. Die Assistenzärzte funktionieren. Sie reagieren auf Kommandos, improvisieren sinnvoll innerhalb medizinischer Grenzen, melden Befunde klar und halten sich an Prioritäten. Die Feuerwehr funktioniert wie Zahnräder in einem Getriebe: Spreizer, Schere, Hubzug. Und dann ist da der Soldat, dessen Namen er nicht kennt und vermutlich nie erfahren wird. Aber er erkennt Kompetenz. Der Mann arbeitet fokussiert und koordiniert, ohne diesen zivilen Drang, sich heldenhaft zu fühlen.