Robin kniet im Materialraum, die Kitteltaschen vollgestopft mit Kabelbindern. Vor ihr ein chaotischer Haufen alter Perfusorschläuche, den sie ausmisten, sortieren und etikettieren soll - eine Aufgabe für Praktikanten, nicht für eine Assistenzärztin. Aber seit der letzten Auseinandersetzung und seit Jeromes überraschenden Fortschritten behandelt Kruse sie genau so: als müsste er sie daran erinnern, wo in der Hierarchie sie steht.

„Äh, Veldmann? Also… dein Fall Her Von und Zu spinnt ein bisschen.“
Was heißt “spinnt”? „Unruhig. Kopf am Hin- und Herrollen, Hände am Zucken. Und er will irgendwas sagen. Fragt nach Freunden, glaub ich.“
Robin steht sofort auf. Wie lange schon? „Keine Ahnung.“ Jana macht eine Kaugummiblase. „Hab’s gerade erst gesehen. Und… naja… dachte, ich hole dich. Weil der ist dein Fall und so.“
Robin wischt sich die Hände an der Hose ab. Der Ärger über die dumme Strafarbeit fällt von ihr ab wie Sand. Gut. Ich gehe rein.

Sobald sie die Tür öffnet, sieht sie es: Jerome unruhiger als jemals zuvor, der Brustkorb hebt sich schneller, die Hände zucken, die Augen bewegen sich durch den Raum. Jerome? Ich bin da. Robin tritt ans Bett, kontrolliert automatisch die Werte, aber ihr Blick bleibt an ihm hängen - wacher, orientierter als noch vor Tagen. Alles gut. Die Schwester hat mir gesagt, du willst deine Freunde sehen. Sie ist stolz. Und sie weiß, dass sie es sich nicht anmerken lassen darf. Die letzten Tests waren eindeutig: er wusste, wer er ist; er wusste, wo er wohnt und nur der Unfalltag selbst fehlt in der Erinnerung - eine typische retrograde Lücke. Die frühe neurologische Reha, das komplette BREA-Programm (Basale Reiz- und Erwachsenen-Aktivierung) - alles verläuft besser, als sie je gehofft hatte. Und sie nennt ihn inzwischen konstant Jerome, weil “Herr von Hohenburg-Lichtenhain” ihn gedanklich auf ein Podest stellt, auf das er gar nicht gehört. Soll ich irgendwen anrufen?