Princess kennt den Geruch inzwischen. Das scharfe, trockene Aroma, das an altes Stroh, Erde und ein bisschen Wildheit erinnert. Das erste mal war sie überrascht, diesmal reizt es sie. Drei von diesen großen, merkwürdigen Tieren leben in einem schön gestalteten Gehege im Süden des Dorfes. Hornteufel, nennt sie sie, weil ihre Hörner und ihre gelben Augen sie an den Unheilbringer erinnern. Beim ersten Besuch hat sie Abstand gehalten. Weit mehr als nötig, sie hat nur beobachtet. Ihre unlogischen Bewegungen, das plötzliche Springen, das laute Meckern. Alles wirkte chaotisch, falsch zusammengesetzt. Und trotzdem faszinierend. Hornteufel halt.
Heute will sie mehr Wissen. Ihre Pfoten tragen sie leise über die Dächer, die feucht vom Regen sind. Princess bleibt kurz stehen, um die Luft zu prüfen. Der Wind ist auf ihrer Seite, er trägt ihren Geruch vom Gehege weg, nicht zu ihm hin. Sie schaut sich vorsichtig um, sie spürt genau, dass der weiße Kater - sie nennt ihn mittlerweile Schneewehe - sie sucht. Sie schleicht näher an das Gehege heran.
Die Hornteufel sind wach. Sie scharren im Boden, beißen in die Holzlatten, knuffen einander mit ihren Hörnern. Ein seltsames Treiben, unberechenbar, laut und ziellos. Princess bleibt geduckt und näher sich langsam dem Zaun, der die Tiere einsperrt. Körperlänge um Körperlänge kommt sie näher, bis sie fast am Zaun ist.
Die größte der drei hebt plötzlich den Kopf. Princess verharrt. Hat der Hornteufel sie gehört? Gesehen? Gerochen? Princess friert ein, kein einzelner Muskel bewegt sich mehr, außer dem Herz, dass gleichmäßig schlägt und der Lunge, die langsamen Atem in ihren Brustkorb pumpt.
Der Hornteufel starrt in ihre Richtung, aber weit über sie hinweg. Dann schnauft er, laut wie ein Erdbeben und senkt den Kopf wieder zum Grasen. Jetzt, denkt Princess. Ganz vorsichtig richtet sie sich ein wenig auf und legt eine Pfote auf den unteren Balken des Zaunes. Sie spürt die Vibrationen der schweren Tiere durch das Holz. Kräftig und viel zu stark für einen direkten Kampf. Aber Princess will nicht kämpfen. Sie will verstehen.
Der kleinste Hornteufel hebt plötzlich den Kopf und fixiert sie. Die Pupillen weiten sich und die Nase schnuppert neugierig. Schnell und sprunghaft kommt er näher und mustert Princess neugierig. Sie macht sich bereit, sofort zu fliehen, sollte der Angriff kommen. Doch das Tier schnuppert lediglich weiter. Laut. Sehr laut. So laut, dass Princess’ Ohren nach hinten schnellen.
Unhöflich, denkt Princess.
Um sich Respekt zu verschaffen, bewegt sie ihren Schweif. Eine langsame, geschmeidige Peitsche durch die Luft. Wenn sie den Schweif so bewegt, dann meint sie es ernst. Der Hornteufel weicht tatsächlich ein Stück zurück. Nicht weit, aber genug, um ihr zu zeigen, dass sie nicht völlig wehrlos wäre. Princess wagt sich noch ein Stück näher heran und steckt ihren Kopf durch das Gatter. Sie will die Gerüche direkt aus dem Fell der Tiere lesen, um sie zu verstehen. Die Luft ist dick: Wild, schwer, nach Gras, Erde und etwas Moschus. Und nach Spannung und Neugier. Princess liest die Körpersprache der Hornteufel.
Sie leckt sich über die Schnauze, um den Geruch auch zu schmecken.
Der größte Hornteufel hebt wieder den Kopf und stampft mit dem Huf auf. Ein deutliches Zeichen: Weiter nicht. Princess versteht die Geste deutlich. Keine Drohung, eher eine Warnung. Er führt die Herde an und ist bereit, Revier und Untertanen zu verteidigen. Princess weicht nicht zurück. Aber sie senkt leicht den Kopf. Es ist keine Unterwerfung, aber eine Geste, die sagt: Ich bin nicht dein Feind. Wenn du nicht meiner bist.
Der Hornteufel versteht und wendet sich ab. Princess entspannt sich. Ihre Mission ist erfüllt, ihre Neugier befriedigt. Sie schnurrt kurz zufrieden, lässt die Anspannung aus den Muskeln endgültig frei. Dann dreht sie sich um und verschwindet im Unterholz des nahen Wäldchens. Ein lautes Meckern folgt ihr.
Sie versteht das Chaos und die Aufregung der Hornteufel noch nicht. Beim nächsten Besuch wird sie tiefer in ihr Revier vordringen.


Kilian starrt dem Fellknäuel hinterher. Er wollte eigentlich nur spielen.
Für Spiel und Vergnügen gibt es in Princess’ Welt keinen Platz. Für sie zählen nur ein einigermaßen trockener Schlafplatz, etwas zu Essen und Kontrolle über ihr Revier.