Maximilian geht die Sudetenstraße auf und ab, die Hände tief in der Jacke vergraben. Mal bleibt er vor einer Haustür stehen und betrachtet die Klingelschilder, dann geht er weiter. Unterwegs summt er leise, für andere nicht hörbar
Doch alles was mir wirklich nah am Herzen liegt schieb ich vor mir weg aus Angst das es verfliegt.
Wenn du wüsstest wieviel Tränen in 'nem lächeln stecken und wenn du wüsstest das Gedanken wie Messer stechen.
Es klingt nicht wie ein Lied, sondern wie ein Atem, der Worte geworden ist. Nach tiefem durchatmen merkt er das schon wieder Stunden vergangen sind und er sich auf das Wesentliche konzentrieren sollte.
Casting!
ertönt aus seinem Mund. Es Formen sich Worte zu Bildern in seinem Kopf. Ein Zimmer, heißt es, ein Platz, den jemand zurückgelassen hat. Aber niemand sagte wann, niemand sagte wo. So läuft er weiter, summen.


Maximilian lehnt sich in den Stuhl, holt tief Luft und legt los.
Stacy, wenn Insta deine große Bühne ist, sag mir, wie viele deiner Follower sind noch aus atmend und wie viele nur Schatten, die Herzchen malen ohne Herz zu haben? Schaust du manchmal zurück in die Frontkamera in der du dich spiegelst? Was siehst du? Ein Gesicht oder nur einen Filter der längst verwischt? Was ist mit deiner Boutique? Eine Tür die geschlossen bleibt weil die Kasse fehlt. War es je die Kasse? Fehlt da etwas anderes, wie ein Grund, ein Inhalt, ein Atemzug? Mode und Stil, sind das Stoffe die wärmen, oder nur Tücher mit denen man Leere verhüllt? Warum riecht hier alles nach Pommbären? Süß und salzig zugleich, wie eine Erinnerung an eine Kindheit die man nicht loslassen will. Ist das Trost? Oder bloß ein Snack, der versucht, ein Loch zu füllen der keinen Magen kennt? Du fragst ob ich arbeite aber was ist Arbeit? Zeit verkaufen, bis sie euch nicht mehr gehört? Hände wund reiben, bis der Körper nichts mehr fühlt? Etwas schaffen was bleibt, wenn der Körper längst kalt ist? Freddy du bist fort, und doch klebt dein Name in dieser WG wie eine Kerze die ausgeblasen würde und noch Rauch hinterlässt. Warum ist Abwesenheit oft lauter als Präsenz? Warum sind die, die gehen, manchmal die, die am längsten bleiben? Niko du machst Notizen. Doch was schreibst du wirklich? Notizen, die vergilben oder Gedanken die ein Echo haben? Ihr wollt wissen wer ich bin. Ich frage zurück, wisst ihr wer ihr seid? Seid ihr nur Rollen, Masken oder Namen an Klingelschildern? Worte, die euch irgendwann überleben, wenn ihr selbst längst nicht mehr da seid. Am Ende sind wir doch alle nur Staub, der wartet, wieder aufgewirbelt zu werden.
Maximilian merkt wie Stacys Augen zufallen, während er noch redet. Er verstummt, nimmt einen Zettel und notiert seine Fragen. Kein ganzer Text, kein Monolog. Nur Fragen. Er legt den Zettel auf den Tisch, dort wo Stacy ihn finden wird wenn sie wieder erwacht. Ein kurzer Blick schweift durch den Raum, in dem sich Schatten mit den Atemzügen der Schlafenden mischen. Er deckt Stacy, Vanja und Niko zu und baut sich aus den restlichen Sofakissen ein kleinen, gemütlichen, Schlafplatz auf dem Boden. Nachdem er den Frühstückstisch gedeckt, die Pombärfingerabdrücke aus dem Türrahmen entfernt und den Abwasch gewaschen hat, legt er sich hin und verschwindet ebenfalls ins Land der Träume.
Stacy sieht nur Fragezeichen vor Augen.
Sag, ma, wurdest du als Kind misshandelt?! Und versucht hier irgend ein Psycho-Scheiß?!
Maximilian blinzelt, als hätte Stacys Worte kurz an seiner Haut gekratzt, nicht tiefer.
Misshandelt? Psycho?
Vielleicht wurde ich misshandelt, von der Zeit, von Enttäuschungen, die wie Nägel unter der Haut sitzen oder von der Liebe, die kam und ging, wie jemand, der im Regen den Schirm aufspannt und der Sturm ihn entreißt.
Und Psycho? Wenn das bedeutet Fragen zu stellen, wo andere schweigen, dann vielleicht, aber was ist normal? Pommbären zum Frühstück, Follower zum Einschlafen, und die Angst, dass jemand hinter die Schminke schaut?
Ein Magenknurren, laut wie der Wellenbruch auf stürmischer See, unterbricht alle.
Ist das Casting vorbei oder hat es Koch garnicht begonnen? Ablehnung. Zusage. Ich könnte mich mit beidem arrangieren, mit euch vielleicht auch. Also entweder ich koche etwas oder ich verschwinde und esse alleine.